Eine reißerische Schlagzeile jagte die andere, die Welt wurde überflutet mit Aufregungen und Zwiespälten. Die Covid19-Pandemie kann in gewisser Weise als Auftakt in eine krisenreiche Zeit gesehen werden. Die Pandemie scheint vorbei zu sein, doch die krisenhafte Zeit ist geblieben. Immer wieder hören wir Sätze wie „ich bin müde“ oder „ich bin ausgelaugt“.
Die Pandemie hat unser aller Leben aber auch massiv entschleunigt. Plötzlich hatten wir viel Zeit für uns selbst und um nachzuspüren. Was ist denn gerade mein Bedürfnis? Was kann ich mit meiner Zeit anfangen? Viel Zeit auch, um über sich selbst nachzudenken, was für viele von uns nicht immer angenehm ist. Sich mit sich selbst auseinanderzusetzen erfordert den Wunsch, hinsehen zu wollen, die Fähigkeit annehmen zu können und ein Gefühl von Vertrauen, dass alles im Großen und Ganzen für das kleine „Ich“ gerade „richtig“ ist, so wie es ist.
Im Hier und Jetzt
Es ist zu beobachten, dass Krisen eine Art Weltschmerz verursachen. Manche Personen wehren sich und kommen ins Tun, andere geben auf und verlieren jegliches Vertrauen ins Leben. Und wo steht die Jugendarbeit? Wie können wir Jugendarbeiter:innen – selbst nicht von den Krisen der Zeit verschont – mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich von den derzeitigen Entwicklungen überfordert fühlen, qualitativ hochwertig arbeiten?
Ein Rezept für alle(s) wird es wahrscheinlich nicht geben. Erleichterung, Entstressung und etwas mehr Ruhe kann sich im Konzept der Achtsamkeit finden. Achtsamkeit meint die Konzentration auf den Moment und das Verbleiben im Hier und Jetzt, ohne Bewertung oder Interpretation. Es geht in erster Linie um Wahrnehmen. Den eigenen Körper, die Atmung, Gedanken, Gefühle und die Umwelt. Alles, was sich eben wahrnehmen lässt.
Gefühle wahrnehmen
Achtsamkeitsübungen lassen sich leicht in der Weite des Internets finden. Etwas vereinfacht und adaptiert können sie, auch mit wenig Aufwand, mit der Zielgruppe angewandt werden. Wichtig ist im Hinblick auf die Authentizität vor allem die eigene Übung und der eigene Umgang mit Achtsamkeit. Angelehnt an Karl Valentin („Wir brauchen unsere Kinder nicht zu erziehen, sie machen uns sowieso alles nach“) kann es für uns Jugendarbeiter:innen wichtig sein, uns selbst mit dem Thema der Achtsamkeit auseinanderzusetzen. Einerseits als Grundlage, um selbst ausgeglichener, entspannter und bewusster durchs Leben und die Arbeitswelt zu kommen. Andererseits um auch der Zielgruppe vorzuleben, wie dies gelingen kann.
In Krisenzeiten dürfen wir auch lernen, achtsam mit unseren Gefühlen umzugehen. Denn Gefühle gehen nicht einfach weg, in dem sie ignoriert werden. Sie wollen wahr- und angenommen werden. Erst dann können sie sich wandeln, verändern und „unangenehme“ Gefühle besser erlebt beziehungsweise bestenfalls zu „angenehmen“ Gefühlen werden. (vgl. z.B. Klaus Eidenschink)
Fazit: Je mehr Achtsamkeit wir Jugendarbeiter:innen für uns entwickeln, desto eher können wir dieses Konzept unseren Besucher:innen vorleben. Je besser wir mit unseren Gefühlen umgehen, sie wahrnehmen und annehmen können, desto eher werden wir auch den Jugendlichen dabei helfen können, mit ihren eigenen klarzukommen. Was brauchen Jugendliche und die Jugendarbeit? Souveräne erwachsene Personen, die sich gerne mit sich selbst auseinandersetzen und ihre Erfahrungen mit anderen auf eine professionelle Art und Weise teilen.
Jugendzentrum Strebersdorf