Im Stadtteil Erdberg gibt es einige Schulen, die von uns, dem Jugend- und Stadtteilzentrum come2gether, regelmäßig besucht werden. Das Schulzentrum Paulusgasse zählt nicht dazu. In diese Schule gehen ausschließlich Kinder und Jugendliche, die eine Beeinträchtigung haben. Einige von ihnen werden nach dem Unterricht mit einem Fahrtendienst nach Hause gebracht. Es ist also nicht die klassische Zielgruppe für unsere Aktionen, die wir in anderen Schulen im Stadtteil bewerben. Brauchen sie unsere Lernhilfe? Werden sie unser Semesterferien-Programm besuchen? Brauchen sie ein Jugendzentrum? Fragen, die wir uns so noch nie gestellt haben.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Lehrerin und eine Sozialarbeiterin im come2gether anfragten, ob sie uns mit ihrem Jugendclub besuchen könnten. Der Jugendclub findet jeden Donnerstag von 14 bis 16 Uhr im Schulzentrum Paulusgasse statt und wird von acht bis zehn Jugendlichen mit unterschiedlichen Diagnosen besucht. Hier werden ihnen verschiedene Möglichkeiten der Beschäftigung geboten. Was jedoch nicht angeboten werden kann, ist die Begegnung mit Gleichaltrigen ohne Beeinträchtigung.
Spiel & Spaß mit Struktur
Die Schüler:innen der Paulusgasse werden bis zum zehnten, manchmal auch elften Schuljahr unterrichtet. Sie sind dann also bereits Jugendliche, treffen aber kaum auf Jugendliche außerhalb ihrer Schule. Die Aktion „Jugendclub goes Jugendzentrum“ soll dem entgegenwirken.
Seit einiger Zeit besuchen uns nun also die Schüler:innen des Jugendclubs gemeinsam mit einer Lehrerin und einer Sozialarbeiterin im come2gether. Diese Treffen haben immer die gleiche Struktur: Die Jugendlichen des Jugendclubs kommen um 14:30 Uhr ins Jugendzentrum und nutzen unsere Angebote. Sie gehen in den großen Saal, tanzen zu Musik oder spielen Merkball. Sie nutzen die PlayStation oder den Wuzzler und bedienen sich am offenen Bücherschrank und der gesunden Jause. Die Mädchen* ziehen sich oft ins Mädchen*zimmer zurück, wo sie reden, chillen oder sich schminken.
Begegnung ermöglichen
Um 15 Uhr öffnen wir unsere Pforten für alle anderen Jugendlichen. Anfängliche Bedenken lösten sich schnell in Luft auf. Die Schüler:innen aus der Paulusgasse wurden begrüßt, mit ihnen wurde geplaudert, gespielt oder gechillt. Und sie nehmen am Programm teil, das von den Jugendarbeiter:innen für den Nachmittag geplant wurde. So entstanden zum Beispiel sehr persönliche Buttons. Einziger Wermutstropfen: Um 15:30 Uhr müssen die Jugendclub-Kids schon wieder gehen, denn die Fahrtendienste warten.
"Jugendclub goes Jugendzentrum" ist eine niederschwellige Aktion, von der beide Seiten profitieren. Die Jugendlichen der Paulusgasse bekommen einen Rahmen, in dem sie ihre Bedürfnisse ausleben können und in dem sie auf gleichaltrige Personen ohne Beeinträchtigungen treffen. Die Kids vom Jugend- und Stadtteilzentrum come2gether haben die Möglichkeit, ihre Vorurteile abzubauen und Jugendliche mit Beeinträchtigung kennenzulernen, mit ihnen zu spielen, zu chillen und sich auszutauschen.
"Jugendclub goes Jugendzentrum" gewinnt Wiener Gesundheitspreis
Aktionen wie diese schaffen Begegnung, fördern Inklusion und verdienen auch Aufmerksamkeit, weshalb das Schulzentrum Paulusgasse "Jugendclub goes Jugendzentrum" beim Wiener Gesundheitspreis der Stadt Wien eingereicht hat – mit Erfolg! Das Projekt wurde in der Kategorie "Gesunde Jugend" mit dem 1. Platz ausgezeichnet. Der Wiener Gesundheitspreis wird jährlich in drei Kategorien vergeben und gilt Aktivitäten, die einen Beitrag zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden leisten. Die Verleihung fand am 18. Dezember im Anschluss an die Wiener Gesundheitsförderungskonferenz 2024 im Wiener Rathaus statt.
Christian Orou, Jugend- und Stadtteilzentrum come2gether
Elisabeth Corazza & Helena Hütterer, Schulzentrum Paulusgasse