30 lange Jahre verbrachte ich im Verein Wiener Jugendzentren. Wenn ich Ende des Jahres in Pension gehe, endet ein komplettes berufliches Leben in der Kinder- und Jugendarbeit. Wie viele Menschen haben so ein Glück?
Während meiner Zeit im VJZ durfte ich dankenswerter Weise bei einigen nachhaltigen Projekten mitwirken. Erwähnen möchte ich beispielhaft „FLODO“ zu Beginn meiner Jugendzentrenzeit und „Kids in Fashion“, das ich seit dem Wechsel meines Kollegen Michael Regen zu CU-Television, also doch schon seit einigen Jahren, begleiten durfte. „Kids in Fashion“ wird mich überleben. Auch nach meiner Verabschiedung bei der kommenden Abschlussmodenschau des heurigen Jahres wird es noch fortgesetzt. Das freut mich persönlich, weil ich nicht wünschte, dass die Dauer dieses wunderbaren Jugendprojekts von meinem Abgang beeinflusst wird.
Kids in Fashion hat ein dynamisches Eigenleben. Das muss es auch, weil sich sowohl Rahmenbedingungen für die Einbindung der Abteilung Organisation geändert haben als auch die räumlichen Notwendigkeiten für die Sommerwerkstatt und das Kostüm- und Stofflager gewachsen sind und vor allem der VJZ die finanziellen Herausforderungen für die professionelle Durchführung der Abschluss-Show stemmen muss. Nicht zuletzt das (und in den letzten drei Jahren die Corona-Pandemie) förderte die Entfaltung besonders kreativer Zusammenarbeit und machte Kids in Fashion für das Team auch nach 28 Jahren immer wieder spannend und aufregend.
Apropos Team: das Ursprungskonzept des Projekterfinders und weiterhin Leiters des Projekts, Leo Oswald, früherer Mitarbeiter in einer Einrichtung des VJZ, Modeschöpfer, Künstler und Pädagoge, funktioniert noch immer und führt aktuell zu (geschätzten) weit über 2000 jährlich eingereichten Entwürfen von 4 – 21 jährigen Kindern und Jugendlichen aus ganz Österreich und angrenzenden Ländern. Leo hat aber auch durch seine Kontakte und seine Überzeugungsarbeit auch andere wichtige Partner:innen begeistern und über Jahre bis heute an Kids in Fashion binden können. Was wäre dieses wunderbare Juwel ohne Patrizia Grecht und ihrem Team, ohne Susu Babolleh, ohne Stefanie Anastase, ohne Christoph Spitaler, ohne Claudia Kritsch, ohne die Lehrer:innen in so vielen Schulen, ohne die Werkstattleiter:innen all die Jahre und die Praktikannt:innen und ohne die Jugendlichen, die als Models mitmachten (einige davon über 10 Jahre) und die Eltern, die ich kennenlernen durfte, weil sie uns so begeistert erzählten, was dieses Projekt bei ihren Kindern auslöste im positivst denkbaren Sinne. Mit zahlreichen der erwähnten Beteiligten verbindet mich mittlerweile auch ein bleibender freundschaftlicher Kontakt.
Dieses Herzens-Projekt „Kids in Fashion“ steckt aber auch voller Anekdoten und G’schichtln. Und damit wäre ich bei der Einbettung des Projekts im Verein Wiener Jugendzentren gelandet.
Ohne die Beteiligung etlicher unserer Einrichtungen mit Kindern und Jugendlichen beim Gestalten und Einreichen von Entwürfen, hätten wir auf Sicht nicht diese Verknüpfung erlangt zwischen „Kids in Fashion“ und der Jugendarbeit im Verein. Und es kam erfreulicherweise auch dazu, dass mehrmals Teilnehmer:innen aus Einrichtungen des VJZ von der Jury als Preisträger:innen ausgewählt wurden und zum Beispiel im Vorjahr eine Jugendliche aus dem Flash sogar den 1. Platz in ihrer Alterskategorie erlangte.
Den Jugendlichen, deren Entwürfe umgesetzt wurden und bei der Modenschau vorgeführt, haben wir mehrmals im Anschluss die Kostüme geschenkt. So kam ich einmal in unser Jugendzentrum in Hirschstetten, auch eine Quelle von Preisträger:innen in mehreren Kids in Fashion – Jahrgängen, um eins dieser Preisträger:innen-Modelle zu überreichen. Der Vater des Mädchens hat aber dann untersagt, dass ich das persönlich vornehme. Dankenswerterweise ist die Kollegin, die sich besonders für die Beteiligung beim Projekt engagierte, eingesprungen und hat dem freudestrahlenden Mädchen ihr Kostüm überreicht. Der Vater hat sich dann im Nachhinein bei mir bedankt.
Auch aus unserem Jugendzentrum am Rennbahnweg waren in früheren Kids in Fashion – Jahren am Tag der Modenschau einige Kolleg:innen im Einsatz zur Betreuung der jugendlichen Models. Die waren damals noch ziemlich gestresst und aufgedreht, mussten von unseren Jugendarbeiter:innen beruhigt und unterstützt werden. Manche von ihnen erhofften sich durch Kids in Fashion auch den Beginn einer internationalen Model-Karriere und hatten ein dementsprechend dünnes Nervenkostüm. Da waren die helfenden beruhigenden Worte und Ablenkungen unserer Kolleg:innen aus dem Rennbahnweg sehr hilfreich. Außerdem schien es damals auch noch entsprechend notwendig, auf Wertgegenstände, Geld und Unterlagen der Jugendlichen aufzupassen. Legendär die rote Kiste mit Vorhängeschloss, die von den Kolleg:innen betreut wurde. Willi Krautwaschl, der damalige Leiter des Jugendzentrums übernahm zudem die nicht gerade stürmisch herbeigesehnte Aufgabe des Verteilens der Platzreservierungen auf die Stühle im Zuschauer:innenbereich. Er hatte die Ruhe dazu.
Mit der Beruhigung der Jugendlichen späterer Modelgenerationen und der richtigen Einordnung des Projekts für ihre Zukunftsperspektive (tatsächlich sind aber doch einige unserer Models mittlerweile bei Agenturen gelandet oder haben Jugendliche von Agenturen bei uns mitgemacht) war dieser Einsatz dann nicht mehr nötig. Dennoch sind Einrichtungen unseres Vereins immer wieder intensiv mit Kids in Fashion verbunden. Das Musische Zentrum zum Beispiel war jahrelang Heimat unserer Sommerwerkstätte zur Produktion der Kostüme und der Proben vor der Aufführung.
Als wir diese Werkstatt noch in oberen Stockwerken einrichteten, galt es, die schweren Nähmaschinen unter großen Anstrengungen hoch zu schleppen. Später konnten wir die Werkstatt im Erdgeschoß einrichten und die Zwischenlagerung der fertigen Kostüme und die proben fanden im obersten Stockwerk statt. Der Materiallift im Musischen Zentrum erlebte magische Zeiten während dieser Zeit. Vor allem, als er wegen unsachgemäßer Beladung und Schließen der Schiebetüren unterwegs stecken blieb.
Zeit, den beteiligten Zivildienern über all die Jahre und dem Team der Abteilung Organisation zu danken. Wir haben es uns zur Tradition gemacht, allen Zivildienern des Vereins, die im Oktober ihren Dienst im VJZ beginnen, die Möglichkeit eines großen gemeinsamen Erfolgserlebnisses zu gönnen. Gemeinsam mit diesen zumeist jungen Kollegen haben wir die Organisation rund um die Modenschau Anfang Oktober bewältigt. Für sie war es aber sicher auch immer wieder ein besonderes Ereignis, bei dem sie da dabei sein konnten.
Besonders waren die Einsätze auch deshalb, weil die Feiern bereits begannen und sich schon Gruppen auf den Weg in die Stadt machten, während für uns der nicht so supere Teil begann, das Abbauen, Wegräumen, Verladen, Abtransportieren. Beim Feiern waren wir stets nur kurz dabei. Wenn überhaupt. Da half die Freude über das Gelingen darüber.
Mittlerweile haben wir im JAM eine neue Sommerheimat gefunden für Kids in Fashion und auch das Lager mit früheren Kostümen, mit den vielen Stoffen und Nähwerkstattmaterialien inklusive Modepuppen und Bergen von Schuhen fand im Jam nun einen endgültigen Platz für die kommenden Jahre. Den Teams vom STL (Siedlungstreff Leberberg) und dem Si:Ju (Simmeringer Jugendzentrum), aber vor allem Petra Lux ist da zu danken, die sich voll und ganz mit Kids in Fashion identifiziert und bei der Modenschau im März dieses Jahres (Pandemiebedingter Abschluss von Kids in Fashion 2021) das nötige konsequente Handling zeigte, als sie gemeinsam mit Kolleginnen aus dem STL und der MIHO (Jugendtreff MIHO) das Eingangskontrollmanagement (grüner Pass, Reservierungsliste, Eltern beruhigen) übernahm. Außerdem hat sie mit ihrem Einsatz mittels Kids in Fashion einer Reihe von Jugendlichen auf verschiedenster Art und Weise Perspektiven eröffnet.
Großen Anteil am Erfolg von Kids in Fashion sehe ich auch darin, dass unsere zentrale Stabstelle Öffentlichkeitsarbeit von Anbeginn an, auch bei wechselnder personeller Besetzung von Leitung und Mitarbeiter:innen, hinter Kids in Fashion stand, die einzelnen Phasen medial und kommunikativ super begleitete und uns dabei unterstützte, sowohl die Zahl der Einreichungen als auch das Finden von Models zu erleichtern.
Natürlich gabs immer wieder auch Momente im Lauf der vergangenen 28 Jahre, die auch im Verein selbst zu Diskussionen führte. Einige Mals waren Leo und ich oder auch Mitarbeiterinnen der Stabstelle Öffentlichkeitsarbeit bei Teams einzelner Einrichtungen oder bei der CU-Jugendredaktion, um über Frauenbilder und Konfektionsgrößen zu diskutieren. Gar nicht einfach, weil die Konfektion fertig gestellt wird, bevor wir die beteiligten Models wissen und weil es auch ausbildungsmäßige Vorgaben für die Sommerwerkstatt gibt. Wir haben es aber schon geschafft, Jugendliche und junge Frauen und Männer einzubinden als Models, die nicht den gängigen Bildern aus Werbung und Medien entsprechen. Ziel auch des Projektteils mit der Modenschau ist vor allem, dass Jugendliche sich trauen, aufzutreten und sich zu präsentieren. Dazu aber bekommen sie von uns und unseren Partner:innen professionelle Unterstützung und Vorbereitung, damit sie auch unvergessene Erfahrungen machen können.
Das gelingt uns offenbar, weil jedes Jahr mit fast 100 Beteiligten Backstage und mehr als 500 Besucher:innen jedes Jahr große Zufriedenheit erreicht wird und wir von Jugendlichen und Eltern stets große Anerkennung und Lob erhalten, auch für die Einbindung und den Umgang mit den Kindern und Jugendlichen. Selbst, wenn wir den einreichenden Künstler:innen schreiben, dass sie diesmal nicht ausgewählt wurden, kann das offenbar gut aufgenommen werden und die Kids senden im Jahr darauf wieder ihre Entwürfe ein.
Für mich selber ist der Weg nun zu Ende. Nach dem 08. Oktober werde ich Kids in Fashion und meinen Aufgaben-Kanon an Jörg Fackelmann weiterreichen. Es ist, wie damals bei der Beendigung von FLODO im Garten der Zentralen Geschäftsstelle, eine große Portion Wehmut dabei. Mich verband mit vielen der Beteiligten emotional sehr viel, die Kommunikation und die Kontakte und gemeinsamen Erfahrungen mit den Kindern und Jugendlichen waren für mich unbeschreiblich wichtig. Es ist schön zu sehen, wie sie sich entwickeln und entfalten und einmal oder zweimal im Jahr wie eine Gemeinschaft zusammenkommen, sich freuen, ihre Kids in Fashion - Verbundenheit ausleben und ganz viel Lebensfreude verbreiten.
Ein Resümee vom Projektkoordinator Andreas Posch