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31. Juli 2020

Innovationsraum Online Jugendarbeit

Innovationsraum Online Jugendarbeit…und dann kam Corona

Neben verschiedenen Bereichen der Digitalen Medienbildung ist insbesondere das Handlungsfeld Online Jugendarbeit eines, wo Veränderungen sehr rasch voranschreiten und es laufend Entwicklungen gibt, wo es gilt zu konzipieren und zu reflektieren, wie sich Jugendarbeit darin verortet. Eigentlich hätte 2020 ein kleines Team aus 6 Einrichtungen den Plan gehabt im Bereich der Online Jugendarbeit zu experimentieren und dem Bedarf der verschiedenen Zielgruppen entsprechend und auf Basis aktueller Forschung Neues auszuprobieren.

…und dann kam Corona…und aus dem Innovationsraum mit 6 Einrichtungen wurde ein „kollektiver Innovationsraum“.

Online Jugendarbeit konnte nahtlos fortgesetzt werden

Der Kontakt zu den Zielgruppen konnte über die online Kanäle prinzipiell nahtlos fortgesetzt werden, die Einrichtungen hatten ja schon seit langem stabile Kommunikationskanäle aufgebaut. Die Mitarbeiter_innen haben diverses Equipment aus der Einrichtung mit nach Hause genommen (Smartphones, Tablets, Notebooks, PS4…). In sehr kurzer Zeit wurden entsprechende Kommunikationsstrukturen in den Teams aufgebaut. Tägliche Vor- und Nachbesprechungen und wöchentliche Online-Teamsitzungen erleichterten das strukturierte und arbeitsteilige Vorgehen - Wer macht wann was? Was brauchen die Jugendlichen? Welche Plattformen werden wofür genutzt? Neben der Überlegung welche Online Plattformen und Netzwerke wofür genutzt werden, galt es auch die Online Arbeits- und Einsatzzeiten zu definieren und eine gewisse Regelmäßigkeit in die Angebotsstruktur zu bringen. Im Laufe der Zeit entwickelten sich, je nach Bedarf der Zielgruppen, einrichtungsspezifische Kommunikations- und Aktivitätenkonzepte.

 

Organisationsstrukturen und Unterstützungssysteme

Auch die Kommunikationsstrukturen teamübergreifend und organisationsweit mussten neu aufgebaut und etabliert werden. Der einrichtungsübergreifende Austausch, Arbeitskreise und Projektgruppen fand laufend am VJZ Discord Server statt (215 Mitarbeiter_innen sind angemeldet). Leiter_innen und zentrale Führungskräfte trafen sich zu regelmäßigen Online-Besprechungen. Einige Teams nutzen auch Online Kanäle zur Teamsupervision. In Kooperation mit dem IFP konnten auch die allermeisten geplanten Fortbildungen in adaptierter Form online stattfinden. Eine vereinsweite Kommunikations- und Informationslinie wurde durch gemeinsam Hashtags wie #wirbleibenzaus bis #ichhalteabstand und einsatzbereite shareables unterstützt.

Parallel zu den internen Kommunikationsplattformen nutzen viele Kolleg_innen auch andere Austauschmöglichkeiten wie die Stammtische von wienXtra oder die Boja Talks, um ihre Erfahrungen einzubringen, aber auch um viele neue Impulse mitzunehmen. Alle diese Möglichkeiten waren immens hilfreich.

 

Online Jugendarbeit hat sich weiter ausdifferenziert

Im Folgenden ein kurzer Überblick über die breite Angebotspalette der Online Jugendarbeit. Vieles davon hat sich während des Corona-Lockdowns weiter ausdifferenziert.

Im Wesentlichen kann einmal unterschieden werden in jene Form der Online Jugendarbeit, die im VJZ ja bereits seit mehr als 10 Jahren als eigens Handlungsfeld betrieben wird - 

  • wir gehen dorthin wo die Jugendlichen sind… sozialraum- und lebensweltorientierte aufsuchende Online Jugendarbeit. Je nach Zielgruppe und laufender Entwicklung ändern sich diese Plattformen (im Moment ist das vorrangig Instagram)

Und jener Angebotsform, die Infrastruktur und regelmäßige Angebotszeit zur Verfügung stellt - 

  • wir laden Jugendliche ein zu uns zu kommen…im Zuge des Lockdowns hat sich dafür Discord – als „digitales Jugendzentrum“ angeboten und gut bewährt.

 

Themen und Handlungsfelder

Inhaltlich und thematisch lassen sich die Angebote in verschiedene Handlungsfelder differenzieren. Einige Aktivitäten dazu werden hier exemplarisch aufgelistet.

 

Information & Sensibilisierung

  • Videos mit Tipps zu unterschiedlichen Themen
  • Livevideos (z.B. #Fragnach)
  • Infografiken / Shareables
  • Aktuelle Infos zu Corona, zu Ausgangsbeschränkungen, zu Lockerungen… (listen, watch, read, get informed)
  • Infos zu unseren Angeboten und sonstigen Möglichkeiten für Jugendliche (z.B. Jugendinfos…)
  • Einsatz von #hashtags
  • Sicherheit im Netz (z.B. die Einstellung der Woche, Meldung von gefährdenden Inhalten…)

Screenshots von Online-Aktivitäten

 

Treffpunkt, Plaudern, Gemeinschaft

  • „Digitales Jugendzentrum“ in Discord (auch andere Plattformen):

zu bestimmten Zeiten finden bestimmte Angebote statt: z.B. Lernräume, Mädchen*raum, Burschen*gruppe, Spiel–Spaß-Zocken, Gruppendiskussionen, einfach nichts tun und abhängen, plaudern und quatschen, gemeinsame Videoabende, selbstverwaltete Jugendräume…; das war natürlich insbesondere während die Jugendeinrichtungen geschlossen waren wichtig. Viele behalten aber regelmäßige Angebote auch weiterhin bei.

 

Innovationsraum Online Jugendarbeit Discord

 Themen, Diskussion, Lernen

  • Schwerpunktthemen (z.B. Flucht, Nachhaltigkeit, Rassismus, Beteiligung, Beruf & Ausbildung, Gender, Pride, Corona & Fake News & Verschwörungsmythen, aktuelle Rechtslage, Datenschutz…)
  • Thementage mit Quiz und Umfragen
  • Online Lernhilfe (z.B. via Discord, aber auch in allen anderen Plattformen, individuell und in Gruppen)
  • #Fragnach (Frage der Jugendlichen werden von Expert_innen im Livechat beantwortet)
  • #8x3 Aktionen zum Weltfrauentag

 

Online Nachhilfe

 Individuelle Info & Beratung

  • Online Beratung (Familie, Job, Bewerbung, Strafen etc.)
  • Individuelle Videochats (Unterstützung dabei eine Tagesstruktur zu erhalten, Ideen gegen Langeweile, „was tun wenn der Kragen platzt“ etc.)
  • Beratungsgespräche via Messenger Dienste (Unterstützung in Krisensituationen etc.)
  • Unterstützung bei Bewerbungen, Online Jobrecherche, Online Bewerbungen, Online Tests…

Online Nachhilfe

  Spiel, Spaß, Sport

  • Challenges (z.B. Tanzchallenges auf TikTok; #girls*run challenge, „Pic oft the day“…)
  • Quiz, Rätsel (Allgemeinwissen, Länder, Natur, Wien…)
  • Gaming, Online Spieleturniere, Handyspiele…
  • DIY – Kochen, Basteln, Kosmetik, Ausmisten, Live Hacks…
  • Malen & Kreatives
  • Indoor Sport- und Bewegungstipps, gemeinsames Training
  • Outdoor Tipps (nach dem Lockdown, bzw. was ist draußen möglich…#ichlauftrotzdem etc.)
  • Escape the room

Challenges & Spiele

 

Medien & Jugendkultur

  • Insta Dancebattle, TikTok Tanzchallenges
  • Künstler_in der Woche
  • Online Fotochallenges
  • Musik-, Audio-, Videoprojekte (CUtv online, Clips & Videos, #soundvonzaus, Beat Tape Snippet, Singen…)
  • Gaming als Jugendkultur

Medien und Jugendkultur

Vernetzung & Öffentlichkeitsarbeit

  • Interne VJZ Vernetzung in Discord
  • Überregionale Online Treffen /Stammtisch, Boja Talks…) und Fortbildungen
  • Liveberichte von laufenden Aktionen in den Einrichtungen und im Öffentlichen Raum (Stories, Livstream, Postings…)
  • Einblicke „Hinter die Kulissen“ (Teamsitzungen, was ist in der Einrichtungen wenn die Jugendlichen nicht da sind, was wird geplant, Betriebsausflug…)
  • Ankündigungen und Infos zu geplanten Veranstaltungen und Aktivitäten

Vernetzung und Kooperation

 

 Und was sagen die Jugendlichen?

Die Feedbacks, Wünsche, Ideen und Bedarfe der Jugendlichen wurden natürlich laufend in die Angebotsstrukturen eingearbeitet. Nichtsdestotrotz wollten wir auch nochmal mit ein wenig Abstand das Feedback der Zielgruppen einfangen und daneben auch erfragen was ihnen noch wichtig gewesen wäre. Insgesamt ist es ja gelungen zu sehr vielen (zumindest 50%, in manchen Einrichtungen bis zu 80%) unserer sonstigen Zielgruppen auch online durchgehend Kontakt zu halten. Nichtsdestotrotz sind einige nicht erreicht worden. Die Gründe dafür haben uns natürlich insbesondere interessiert. An der Befragung haben insgesamt 405 (zwischen 6 und 24 Jahren) teilgenommen. Es handelte sich um einen Online Fragebogen, der aber nicht verschickt wurde, sondern mit Smartphones und Tablets der Einrichtungen bei Aktionen im öffentlichen Raum oder in den mittlerweile wieder geöffneten Jugendeinrichtungen beantwortet werden konnte. Das Ziel war keine repräsentative Forschung, sondern im direkten Gespräch mit den Zielgruppen Feedback auf die Angebote und Impulse für die Weiterentwicklung und Adaptierung der Online Jugendarbeit für den „Normalbetrieb“ zu bekommen. Die Erkenntnisse sind in den einzelnen Einrichtungen durchaus unterschiedlich und werden nun auch individuell in die Ausgestaltung der zukünftigen Online Arbeit einfließen.

Trotz der Unterschiedlichkeit lassen sich einige übergeordnete Erkenntnisse ableiten:

Sehr gut war´s jedenfalls, dass wir so gut aufgestellt waren, dass die Online Kommunikation nahtlos fortgesetzt werden konnte. So konnten wir unmittelbar für die Zielgruppen da sein, Fragen beantworten, Ängste und Unsicherheiten bearbeiten bei der Bewältigung des Alltags unterstützen und auch einiges zu Spaß und Lebensfreude in einer für viele doch schwierigen Zeit beitragen.

Die hauptsächlich erreichete Altersgruppe waren die 15 bis 19Jährigen. Deutlich gestiegen ist der Kontakt zu den jungen Erwachsenen, tw. ehemalige Besucher_innen, die sich wieder an die Ressource Jugendarbeit erinnert haben.

Besonders gut ist es gelungen Mädchen* (zw. 15 und 24) zu erreichen. In diesen Altersgruppen ist der Kontakt im Vergleich zum Vorjahr sogar gestiegen.

Einige Jugendliche haben sich jetzt auch erstmals bei uns gemeldet, die allermeisten sind uns aber bekannt.

Je jünger die Kids umso schwieriger war der Kontakt. Viele haben kein Smartphone, oder verfügen nicht über die speziellen Apps. Am ehesten ist der Kontakt hier entweder über die Eltern (über bestehende Frauen*gruppen in den Einrichtungen oä), oder über Lernhilfeangebote gelungen. Viele der Kids waren sehr mit Schule, Geschwister und Haushalt (vor allem Mädchen*) beschäftigt, dass sie nur wenig freie Zeit hatten.

Von den 405 an der Umfrage teilnehmenden haben 75% angegeben in irgendeiner Form Kontakt zu den Jugendeinrichtungen gehabt zu haben. Nahezu alle über Instagram (92%). Gefolgt von Discord, Messanger Dienste und Snapchat. Und danach wurde bereits das Telefon genannt. Facebook und TikTok folgten danach.

Quasi alle haben mit dem Smartphone kommuniziert. Nur 11% der Befragten nannten Computer oder Laptop.

Besonders gefallen haben den Zielgruppen: Plaudern & Chatten; Spiele, Quiz & Rätsel sowie auch gut aufbereitete und verständliche Informationen. In weiterer Folge wurden auch die Beratung & Unterstützung bei Fragen aller Art sehr geschätzt. Gefolgt von Challenges, regelmäßigen Online Treffs, Computerspielen und Lernhilfe.

Von denen, die während des Lockdowns keinen Online Kontakt mit den Jugendeinrichtungen hatten wurde von der Hälfte als Grund genannt, das sie nicht wussten, dass wir online erreichbar sind. Dem kann mit gezielter Info entgegengewirkt werden. Andere Rückmeldungen waren sehr ausdifferenziert und je nach individueller Situation und Alter unterschiedlich. Von „keine Zeit“ bis „keine Lust“, von ich „hatte kein WLan oder Datenvolumen“, bis hin zu „ich nütze kein Social Media“. Einige wenige hatten Anregungen für die Nutzung anderer Plattformen (z.B. mehr Snapchat). Einige haben aber die Infos und Stories der Jugendeinrichtungen angesehen und genützt, sind aber darüber hinaus nicht in Kontakt getreten, hätten aber gewusst wie, wenn sie Bedarf gehabt hätten.

Der Kontakt und die Intensität nahm mit zunehmender Dauer der reinen Online Arbeit ab. Dies bestätigt die schon lange auch durch die Forschung und unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit erlangte Erkenntnis, dass Offene Jugendarbeit online ohne offline nur bedingt funktioniert.  On- und Offline gehen ineinander über und bedingen einander. Auch die Jugendlichen haben rückgemeldet, dass nur online Kommunikation anstrengend ist und das direkte Gespräch – deshalb viele Livechats und auch Telefonate – fehlt. Vor allem aber das Treffen der Freunde und gemeinsame Aktivitäten in real live sind abgegangen. So haben viele bei der Frage was ihnen gefehlt hat, deshalb vorrangig rückgemeldet, dass „das JUZ“ und „das Zusammensein in echt“ gefehlt hat. Manche hatten aber auch „das Gefühl, dass das Base20 nie geschlossen war“ – eine sehr schöne und authentische Rückmeldung, dass die Jugendarbeit auch weiterhin greifbar und präsent für die Jugendlichen war.

 

Und was nehmen wir daraus für den „Normalbetrieb“ mit?

Die Situation wie im Frühjahr 2020, mit einem kompletten coronabedingten Lockdown und der reinen Online Jugendarbeit war natürlich eine spezielle Situation. Im Normalbetrieb mit den parallelen Angeboten in den Jugendeinrichtungen im öffentlichen Raum lässt natürlich nicht dieselbe Intensität in der Online Arbeit zu, Prioritäten müssen gesetzt werden.

Klar ist jedenfalls, dass VJZ interne Online Austausch- und Netzwerkstrukturen zusätzlich zu persönlichen Treffen beibehalten werden. Vieles lässt sich dadurch rascher und effektiver besprechen und bearbeiten (Bsp. Discord Server). Know How einzelner Mitarbeiter_innen kann besser eingebracht und genutzt werden (z.B. Videotutorials zu Anwendungen). Planung und Umsetzung gemeinsamer Online Aktionen funktioniert unkomplizierter.

Viele Mitarbeiter_innen haben ihre Kompetenzen in der Online Arbeit deutlich weiterentwickelt. Online Jugendarbeit wird mehr als fixer Bestandteil der Offenen Jugendarbeit und als Querschnitt wahrgenommen. Mehrere sind arbeitsteilig zuständig.

Es gibt auch viel Wissen darüber was nicht funktioniert und wieder aufgegeben wird, wie auch darüber was in welchen Plattformen sinnvoll und möglich ist, wie´s von den Zielgruppen angenommen wird und wie die Jugendlichen beteiligt werden können. Mittlerweile eingespielte und bewährte Angebote werden einrichtungsspezifisch beibehalten bzw. adaptiert (z.B. TikTok, Discord).

Mehr Regelmäßigkeit und Struktur - entsprechend der Ressourcen und Möglichkeiten - wird in die Online Arbeit einfließen. 

Die Aufbereitung von Themen und inhaltlichen Schwerpunkten in der pädagogischen Arbeit wird auch online zukünftig mehr Berücksichtigung finden.

Es bedarf einer entsprechenden Ausstattung der Einrichtungen. Prinzipiell hat sich gezeigt, dass diese weitestgehend sehr gut ist. Da und dort braucht es bedarfsgerechte Adaptierungen.

Die Social Media Guidelines des VJZ werden überarbeitet und aktualisiert. In Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten werden sinnvolle und bedarfsgerechte Lösungen für eventuelle offene Fragestellungen gesucht.

Es hat sich jedenfalls einmal mehr gezeigt, wie wichtig die offene Jugendarbeit, als ein fixer Bestandteil der sozialen Infrastruktur in Wien, ist. Durch den laufenden Kontakt und die breitgestreuten Angebote, konnte so manche Krise überwunden, manche schwierige Phase bewältigt, Probleme beim Lernen entschärft und Spaß und Lebensfreude erfahren werden. Insbesondere für jene, die von der aktuellen Corona-Krise besonders betroffen sind. Denn eines zeigt die Krise sehr deutlich – die sozialen Ungleichheiten verstärken sich.

 

Weitere Einblicke in Aspekte und Erfahrungen in der Online Arbeit finden sich in der See You Ausgabe und auch laufend als Blogbeiträge auf unserer Webseite: www.jugendzentren.at

Manuela Smertnik

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