Der Burschen*abend ist seit einigen Jahren ein Fixpunkt im Wochenprogramm des Jugendtreff Arthaberbad. Der Wunsch kam damals von den Burschen selbst, primär als Reaktion auf den bereits vorhandenen Mädchen*tag. Diesem Wunsch sind wir gerne nachgekommen – natürlich auch mit dem Ziel, diesen Tag für pädagogisch und gesellschaftlich wertvolle Themen zu nutzen.
Was macht einen Burschen*betrieb aus?
Unser Burschen*betrieb findet immer mittwochs statt. Am frühen Nachmittag beginnen wir mit einer Stadtteilrunde, wo wir mit dem Genderblick durch die Parks gehen und neue Jugendliche zu uns einladen. Am späten Nachmittag öffnen wir dann die Räumlichkeiten des Jugendzentrums für alle Burschen* von 12 bis 20 Jahren. Wir als Männer*team bereiten ein Programm für den Abend vor, das zu Beginn immer angekündigt wird.
Im Gegensatz zum offenen Betrieb ist die aktive Teilnahme an unserem Programm am Burschen*abend Voraussetzung. Wer nicht mitmachen möchte, muss für die Dauer des Programms gehen. Im Vordergrund steht die ernsthafte Auseinandersetzung mit den vorbereiteten Themen. Deswegen wird während des Programms kein Barverkauf angeboten, auch unsere anderen Angebote werden pausiert.
Zu Beginn bemühen wir uns darum, ein angenehmes Setting zu erzeugen und die Jugendlichen mit einer Gesprächsrunde sanft ans Thema heranzuführen. Um ein Thema ausführlich zu behandeln, eignen sich kleinere Gruppen am besten, insbesondere wenn sensiblere Thematiken angesprochen werden. Generell achten wir immer darauf, dass Themen ehrlich und ohne Angst besprochen werden können. Es gilt: Was beim Burschen*abend im Jugendtreff besprochen wird, bleibt auch im Jugendtreff.
Wie wird das Programm bestimmt?
Die Programmauswahl für die Burschen*abende erfolgt auf mehreren Ebenen. Als Team planen wir die Inhalte im Voraus, lassen es uns aber offen auf aktuelle gesellschaftliche und tagespolitische Themen einzugehen. Zudem greifen wir auch Ereignisse im Jugendzentrum auf und sprechen uns mit den Kolleginnen* ab, die für den Mädchen*beitrieb zuständig sind, falls Themen nicht nur mit den Burschen*, sondern auch mit den Mädchen bearbeitet werden sollten.
Die Jugendlichen haben natürlich auch die Möglichkeit ihre Wünsche an uns heranzutragen. Von Ausflügen über Diskussionen bis hin zum Besuch eines Tischtennisvereins versuchen wir die Wünsche, sofern pädagogisch wertvoll und umsetzbar, zu berücksichtigen. Oft ergeben sich die Themen auch aus unseren regulären Betrieben. Als Reaktion auf sexistische Aussagen haben wir beispielsweise über die Erwartungen und Wünsche in einer Beziehung gesprochen. Ebenso laden wir immer wieder die Expert:innen ein, um über Themen wie beispielsweise Sexualität und Verhütung oder häusliche Gewalt zu sprechen.
Neben diesen außertourlichen Programmpunkten, die sich als Reaktion auf Geschehnisse im Jugendzentrum ergeben, haben sich bereits einige Programmpunkte als Tradition verfestigt. So starten wir den Burschen*abend jeden Mittwoch bei einer gemütlichen Teerunde und führen die Jugendlichen langsam ans Thema heran, bevor wir beginnen. Auch unser Jahresabschluss ist mittlerweile zu einem Ritual geworden. Auf Zetteln sammeln wir gemeinsam Dinge, die im vorherigen Jahr nicht so gelaufen sind, aber auch Dinge, die gelungen sind. Anschließend verbrennen wir die Zettel gemeinsam in einer Feuerschale.
Das Hauptaugenmerk bei der Themenauswahl liegt dabei stets auf der Aufarbeitung und Reflexion genderspezifischer Aspekte. Bieten wir Spiele oder Gruppenaktivitäten an, bemühen wir uns darum, dass die Jugendlichen sich auf die Inhalte der Aktivität fokussieren, statt auf den Wettbewerb und die Konkurrenz untereinander. Deswegen bieten wir beispielsweise nie Preise für erste Plätze an, sondern bereiten Preise für alle Teilnehmenden vor.
Ziel ist es, dass die Jugendlichen ihre eigene Sozialisation als Männer* und ihre Rolle innerhalb der Gesellschaft reflektieren und wir Dynamiken, wie beispielsweise der stetige Wettbewerb innerhalb von Männergruppen, nicht zu reproduzieren. Die Programmauswahl erfolgt also stets mit dem Genderblick.
Herausforderungen
Unser außergewöhnliches Setting am Burschen*abend bringt auch einige Herausforderungen mit sich. Das Erzeugen einer gemütlichen Runde wird durch Jugendliche, die die Themen nicht ernst nehmen oder eigentlich gar nicht mitmachen wollen, erschwert. Teilweise wird auch während des Programms gestört, was manchmal darin resultiert, dass wir einzelne Personen rausschicken müssen.
Auch die Gruppengröße ist teils heikel. Bei manchen Themen gibt es zu wenig Interesse, bei anderen wiederum kommen so viele, dass wir die Gruppe aufteilen müssen. Eine Hälfte macht dann das Programm im Tanzraum, die andere im Sportraum.
Je nach Thema und Programm stoßen wir auch auf inhaltlicher Ebene auf Widerstand. Zum Beispiel ergaben sich bei der Thematisierung von queeren Lebensentwürfen starke Diskussionen. Die Gründe dafür sind vielfältig. In solchen Fällen ist es am sinnvollsten, unsere Vorbildwirkung zu nutzen und als Team hinter den Inhalten zu stehen. Auch wenn die Jugendlichen nicht immer zugänglich für die Themen sind, versuchen wir stets offen zu bleiben, ihre Meinung zu respektieren und sie durch gemeinsame Diskussionen zum Nachdenken und Hinterfragen anzuregen.
Herausforderungen sehen wir als Ansporn unsere bisherige Arbeitsweise zu reflektieren und je nach den Bedürfnissen der Jugendlichen zu adaptieren. Das Programm sollte jedenfalls niederschwellig und zugänglich sein und an die Lebenswelt der Jugendlichen anknüpfen.
Ein Blick in die Zukunft
Obwohl die verpflichtende Teilnahme seitens der Jugendlichen nicht immer als positiv empfunden wird und die Burschen*abende nicht immer reibungslos ablaufen, hat sich mittlerweile eine Stammgruppe gefunden, die praktisch an jedem Programm teilnimmt und darüber hinaus andere dazu motiviert, zu bleiben. Die Jugendlichen setzen sich teilweise schon zusammen, wenn wir den Tee vorbereiten, manchmal werden sogar die Konsolen selbstständig abgedreht und parallel stattfindende Aktivitäten beendet.
Unser Ziel für die Zukunft ist es, dieses lockere Setting weiter auszubauen und mehr Jugendliche zur Teilnahme an unserem Programm zu motivieren. Der Burschen*abend soll ein Betrieb sein, auf den sich die Jugendlichen freuen, nicht ein Abend, an dem ihnen Spiel und Spaß verweigert werden.
Unsere Absicht für den Burschen*abend ist es, dass unsere Jugendlichen sich selbst hinterfragen und ihre Position reflektieren – nicht nur auf individueller und persönlicher, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene. Ändern können wir niemanden, das ist auch nicht unsere Absicht. Aber wenn es uns gelingen sollte, einen Samen zu säen, der im späteren Leben vielleicht zu keimen beginnt, haben wir unser Ziel erreicht.
Jugendtreff Arthaberbad