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24. September 2018

Elektroschrott, was tun?!

Giftiger Elektromüllberg =
4.500 Eiffeltürme jährlich

Die Menge an alten Laptops, Kameras, Handys und anderem elektrischen Müll hat gigantische Ausmaße erreicht. Etwa 44,7 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert die Menschheit derzeit im Jahr, das entspricht dem Gewicht von 4.500 Eiffeltürmen.1 Der Elektroschrott ist einer der am schnellsten wachsenden Müllströme,2 allein zwischen 2014 und 2016 sei die jährliche Menge Elektromüll um acht Prozent angestiegen. Die Forscher der Universität der Vereinten Nationen (UNU) warnen, dass der Elektromüll derzeit so gut wie ungebremst wachse.3

Psychische Obsoleszenz

Nicht nur die geplante Obsoleszenz stellt eine Ursache in der Müllproduktion dar,  sondern vor allem auch die psychologische Obsoleszenz.4 Im Fall der psychischen Obsoleszenz wird ein Produkt, das noch funktionstüchtig wäre, nicht mehr von den Konsument_innen gewünscht.5 In einer Studie des deutschen Umweltamtes ging hervor, dass nicht ein Hardwaredefekt der Grund des frühzeitigen Austausches des Smartphones ist, sondern im Großteil der Konsument selbst, der zum Beispiel das Bedürfnis nach neuen Features hat.6 Durchschnittlich wird ein Handy in Österreich nur 18 bis 24 Monate benutzt,7 obwohl das Handy locker durchschnittlich bis zu 4 Jahren halten würde.8

Die psychische Obsoleszenz wird beim Handykonsum durch verschiedene Faktoren gesteuert: 

  1. Irreführende Werbung: Es gibt rasche Modellwechsel, bei denen oft geringe Änderungen als zukunftsweisende Neuerungen dargestellt werden.9
  2. Mobilfunkverträge: Die Nachfrage wird bewusst gesteuert durch Mobilfunkverträge mit subventionierten Neugeräten im 2-Jahres-Rhythmus.10 Jedoch auch die viel beworbenen Null-Euro-Handy sind unter der Berücksichtigung der Gesamtkosten kein Schnäppchen.11 Das Handy ist bereits der häufigste Grund für Verschuldung von Jugendlichen.12

Medienkompetenz

Medienkompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Medien und ihre Inhalte den eigenen Zielen und Bedürfnissen entsprechend sachkundig zu nutzen. Nach Dieter Backe setzt Medienkompetenz sich aus Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung zusammen.13 Mittels Medienkritik und Medienkunde können irreführende Werbebotschaften wie auch die als fortschrittlich gepriesenen Handyfeatures durchschaut und erkannt werden, als das was es wirklich darstellt: ein unnötiger Kauf, der nicht nur der Umwelt schadet, sondern auch dem eigenen Budget. Kinder und Jugendliche benötigen besondere Unterstützung, um irreführende Handyverträge und Werbebotschaften zu durchschauen, um nachhaltige Entscheidungen für sich treffen zu können.

Fairphone sorgt für Denkanstöße

Fairphone und Shiftphones produzieren nachhaltige Handys. Menschliche Arbeitsbedingungen und eine modulare Bauweise, die Nachhaltigkeit garantiert, sind leider keine „Coolheitsfaktoren“, wofür die durchschnittlichen Konsument_innen bereit wären, tiefer in die Geldbörse zu greifen. Aber die bloße Anwesenheit erzeugt für Irritation und kritische Denkanstöße. So erzählt Katharina Painer, Fairphone Besitzerin und Leiterin der Mobilen Jugendarbeit 19 KMH, ihre Erlebnisse: “Die Jugendlichen sind schon beeindruckt, wenn ich die Kamera selber bei meinem Handy austauschen kann. Das imponiert ihnen und sie äußern auch kritische Gedanken gegenüber ihren „supertollen“ Handys, da sie nichts selber austauschen können. Und wenn ein kleines Teil des Handys kaputtgeht, muss das Handy ganz ausgetauscht werden“. Genau hier setzt das Fairphone an, durch auswechselbare Module ist es länger haltbar und einfache Reparaturen können auch selbst gemacht werden.

Freie Software verlängert Laptop-Leben

Die Softwareindustrie unterscheidet sich von der freien Softwareentwicklung durch verschiedene soziale und politische Wertsetzungen. So zielen Microsoft-Betriebssysteme auf die Auslastung der jeweils neuesten Prozessor-Generationen ab und zwingen dadurch die Konsument_innen ständig zum Nachkauf von Hardware. Das freie Betriebssystem GNU/Linux läuft dagegen auch auf vergleichbar schwachen Plattformen. Linux schont Budget, Hardwareressourcen und zwingt nicht zum ständigen Hardwarenachkauf wie Microsoft Windows.14

Freie Software in Form von GNU/Linux/Ubuntu beruht auch auf dem offenen, wissenschaftlichen Codex. Für wissenschaftliches Arbeiten ist die Informationsfreiheit ein zentrales Element. Wissen, das an der Universität entsteht, ruht auf den Schultern vorangegangener Generationen und gehört folglich nicht dem Einzelnen, der einen kleinen Baustein einfügt, sondern der Gemeinschaft der Wissenschaftler_innen insgesamt. Forschungsergebnisse müssen veröffentlicht und offengelegt werden, damit die Gemeinschaft der Fachleute sie überprüfen, replizieren, kritisieren und fortsetzen kann. Offenheit bedeutet für die freie Software Qualitätssicherung, Entwicklung und Fortschritt.15

Die Entwicklung der ersten Software von Wissenschaftler_innen am MIT (=Massachusetts Institute of Technology) beruhte auf Gemeinschaft, Austausch und Solidarität. Software wurde nicht „freie Software“ oder „Open Source“ genannt, obwohl sie damals „frei“ war. Der Begriff existierte noch nicht, weil es das Wesen der Software selbst darstellte.16 Der freie Geist der ersten Computerwissenschaftler_innen ging in den 1970er Jahren durch Kommerzialisierung und Kapitalisierung der amerikanischen Labors verloren. Richard Stallman empfand den plötzlichen Sinneswandel in der Computerbranche schlicht als asozial: “Das heißt der erste Schritt in der Benutzung eines Computers ist zu versprechen, nicht deinem Nachbarn zu helfen. Eine kooperierende Gemeinschaft ist verboten. Die Regeln von den Eigentümern der proprietären Softwareentwicklung ist: Wenn du mit deinem Nachbarn teilst, bist du ein Pirat.“17

Stallman kündigte seinen Job und fühlte sich dazu berufen, die Computerethik der Urkommune, die in amerikanischen Labors durch den kapitalistischen Geist verdrängt wurde, weltweit auferstehen zu lassen. Zur Befreiung der Software initiierte er die "Free Software Foundation", die 1984 mit dem Ziel startete, ein Betriebssystem nach Art von Unix zu machen.

Parallel entwickelte er die GPL (General Public License18), um Freiheit und Offenheit für Softwareentwicklung rechtlich garantieren zu können.19 Über 40 Jahre später gibt es nicht nur ein sehr erfolgreiches freies Betriebssystem (GNU/Linux), sondern auch Serversoftware (z.B.: Apache), Webbrowsers (z.B.: Firefox Mozilla), Textverarbeitungssoftware (z.B.: Open Office), Grafiksoftware (z.B.: GIMP) etc. Neben der Nachhaltigkeit ist besonders der ethische Gedanke von der freien Software-Bewegung hervorzuheben.

Zum Beispiel plädiert die UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) für GNU/Linux: „Linux ist das Mittel, um die technologische Kluft zwischen den Ländern abzubauen [...] Linux ist eine neue Art der Informatik, bei der ›die technische Qualität und die Solidarität der Menschen‹ das Wichtigste ist.“20

GNU/Linux/Ubuntu

Ein besonders nutzerfreundliches und nachhaltiges freies Betriebssystem stellt GNU/Linux/Ubuntu dar. Der Name Ubuntu bedeutet auf Zulu etwa „Menschlichkeit“ und bezeichnet eine afrikanische Philosophie. Die Entwickler_innen verfolgen mit dem System das Ziel, ein einfach zu installierendes und leicht zu bedienendes Betriebssystem mit aufeinander abgestimmter Software zu schaffen.21 So gibt es verschiedenste Ubuntu Betriebssysteme die auf spezielle Bedürfnisse von Anwender_innen angepasst sind. Die Distribution Lubuntu legt den Schwerpunkt auf Geschwindigkeit und Energieeffizienz, so dass auch die Anforderungen an die Hardware relativ gering sind, wobei Ubuntu Studio speziell auf die Anforderungen von Audio-, Grafik- und Videobearbeitung ausgerichtet ist. Somit hat man mit der Installation von Ubuntu Studio nicht nur das Betriebssystem, sondern auch 2 GB Software zur Verfügung.

Fachgerechte Entsorgung

Nur etwa 20 Prozent des Elektronikschrotts werde weltweit gesammelt und ordentlich entsorgt, das meiste lande auf Müllkippen oder werde verbrannt.22 Hier fehlt es an Medienkunde, vielen Konsument_innen ist nicht bewusst, dass in ihrem Handy, Elektrogerät etc. neben wertvollen Rohstoffen auch viele Giftstoffe stecken, die unbedingt fachgerecht entsorgt werden müssen. In Wien gibt es dazu auf den Mistplätzen Sammelplätze für Elektroschrott. Falls ein Elektrogerät oder Handy noch funktionstüchtig ist, gibt es vielleicht auf Willhaben noch eine/n Abnehmer_in oder für Handys die Ö3 Wundertüte. Jedes Jahr im November wird die Ö3-Wundertüte per Post nach Hause geschickt. Darin kann das alte Handy portofrei retour geschickt werden, wo es einem Arbeitsprojekt der Caritas zugutekommt. Zwölf ehemals langzeitarbeitslose Menschen sind im Althandy-Verwertungszentrum der Caritas beschäftigt, wo die Geräte falls noch funktionstüchtig wiederverwertet und die kaputten Handys umweltgerecht recycelt werden, wodurch die gewonnenen Wertstoffe wiederverwendet werden können.

Fazit

Die Auseinandersetzung von nachhaltigem Elektrogebrauch innerhalb der Jugendzentren ist nicht nur wichtig, um für die Problematik des Elektromülls zu sensibilisieren, sondern es hilft auch, um einer Jungverschuldung entgegen zu wirken.

 Tipps für praktische Aktionen:

  • Medienkritik – Mediengespräche über irreführende Werbung, Null-Euro-Handyverträge etc.
  • Fachgerechte Entsorgung – MA 48 Besuch, Ö3 Wundertüten im Jugendzentrum auflegen, Sammelboxen
  • Recyclingmöglichkeiten – Willhaben, Weiterschenken, Upcycling
  • Recycling Kahoot Quiz
  • Fairphone vorstellen, Linux/Ubuntu auf alten Laptops und PCs aufsetzen

 Weiterführende Links:


1 https://www.sueddeutsche.de/wissen/elektroschrott-globaler-berg-an-elektromuell-waechst-rasant-1.3791254

2 http://www.spiegel.de/wirtschaft/abfallentsorgung-in-afrika-muell-moneten-mafia-a-618414.html

3 https://www.sueddeutsche.de/wissen/elektroschrott-globaler-berg-an-elektromuell-waechst-rasant-1.3791254

4 https://handykühler.de/durchschnittliche-lebensdauer-eines-smartphones/

5 http://lexikon.stangl.eu/9181/psychische-obsoleszenz

6 https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_11_2016_einfluss_der_nutzungsdauer_von_produkten_obsoleszenz.pdf

7 https://wien.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/umweltundverkehr/umwelt/abfall/Handy-Lebensdauer.html

8 https://handykühler.de/durchschnittliche-lebensdauer-eines-smartphones/

9 https://wien.arbeiterkammer.at/service/broschueren/konsument/Handy_2017.pdf

10 https://wien.arbeiterkammer.at/service/broschueren/konsument/Handy_2017.pdf

11 https://wien.arbeiterkammer.at/service/broschueren/konsument/Handy_2017.pdf

12 https://www.gesundheit.gv.at/leben/psyche-seele/finanzielle-probleme/jugendverschuldung

13 https://de.wikipedia.org/wiki/Medienkompetenz

14 vgl. Grassmuck, Volker (2004): Freie Software – zw. Privat und Gemeineigentum, BZ für politische Bildung: Bonn, S 19

15 vgl. Grassmuck, Volker (2004): Freie Software – zw. Privat und Gemeineigentum, BZ für politische Bildung: Bonn, S 47

16 GNU-Project, http://www.gnu.org/gnu/the-gnu-project.html, (abgerufen am 23.8.2018)

17 GNU Project, www.gnu.org/gnu/the-gnu-project.html, (abgerufen am 23.8.2018)

18 GNU, https://de.wikipedia.org/wiki/GNU_General_Public_License, (abgerufen am 23.8.2018)

19 Freiheit Philosophy von GNU, www.gnu.org/philosophy/free-sw.de.html, (abgerufen am 23.8.2018)

20 vgl. Grassmuck, Volker (2004): Freie Software – zw. Privat und Gemeineigentum, BZ für politische Bildung: Bonn, S 229

21 https://de.wikipedia.org/wiki/Ubuntu

22 https://www.sueddeutsche.de/wissen/elektroschrott-globaler-berg-an-elektromuell-waechst-rasant-1.3791254

Elisabeth Hauer

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