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16. November 2018

Fahrt nach Mauthausen

Schon zu Jahresbeginn 2018 starteten wir ein langfristiges Projekt, das sich mit unterschiedlichsten methodischen Zugängen und Angeboten den Themen Rassismus, Antisemitismus, Kinder- und Menschenrechte, Diskriminierung und Ausgrenzung widmet. Start war ein Seitenwechsel – Team X im Dezember. Viele kleine Workshops, Gesprächsrunden (z.B. mit Likrat), kreative Inputs, eine Tour mit Supertramps (ehemalig wohnungslose Stadtguides), der Besuch eines Zeitzeugengesprächs im flash sowie das gemeinsame Ansehen einer Dokumentation über das Konzentrationslager Mauthausen spannten den Vorbereitungsbogen für die Fahrt in die KZ-Gedenkstätte Mauthausen.

„Wir kommen mit euch mit! Eigentlich sollten wir mit der Schule fahren, aber die haben das abgesagt!“ Am 12. Mai 2018 stiegen wir mit einer Gruppe von sechs Mädchen und 13 Burschen (im Alter von 14 bis 19 Jahren) sowie sieben Erwachsenen aus dem Grätzel in den Bus nach Mauthausen in Oberösterreich. 8:30 Uhr früh war vielleicht ein Grund für sechs Angemeldete doch nicht zu erscheinen. Die Hinfahrt war noch lustig und entspannt. Die einen spielten Schach, lernten für anstehende Tests in der Schule, führten einfach nur entspannte Gespräche oder holten etwas Schlaf und das Frühstück nach.

Mauthausen. Der Bus schlängelte sich durch den Ort eine steile Straße hoch zur Gedenkstätte. Als wir die massiven Mauern und Türme des ehemaligen Konzentrationslagers sahen, war es als ob wir „im Mittelalter“ angekommen wären, so ein Statement eines jugendlichen Teilnehmers. „Da wird einem ganz anders.“ war zu hören.

Wir gingen zum neuen Besucher_innenzentrum und warteten dort auf unsere Guides, die uns zwei Stunden lang um und durch das ehemalige KZ führen würden. Wir teilten uns in zwei Gruppen und achteten dabei auf die Durchmischung der Altersklassen.

Die Tour begann auf dem Vorplatz vor den riesigen Granitmauern, die das Lager umgaben. Unsere Guides starteten von unterschiedlichen Punkten, so waren die Gruppen unter sich. Als Orientierungsplan bekamen wir eine Luftaufnahme des Lagers kurz vor der Befreiung im Mai 1945. Vom Vorplatz ging es runter zum Fußballfeld der damaligen SS-Wachmannschaft, das neben den Sanitätsbaracken lag und noch immer Ausblick auf die Krematoriumsschornsteine bietet. Hier brachte vor allem Guide Sabine mit einfachen Fragen das Thema der Mittäter_innenschaft bzw. die Frage, ob die Mauthausener Bevölkerung von all dem Grauen wirklich nichts mitbekommen hat, näher. Konnten die zigtausenden Häftlinge unbemerkt die steile Straße zum Lager hinauf marschieren? Wer waren wohl die Zuschauer_innen der SS-Fußballmannschaft, die laut Zeitungsberichten 1944 bejubelter Herbstmeister in der Landesklasse Oberdonau wurden? Wie war es den Wachleuten möglich, einerseits die Lagerhäftlinge zu foltern, zu misshandeln und zu töten und andererseits sportliche Höchstleistungen zu bringen? Waren die SS-Leute freiwillig im Lagerdienst oder wurden sie gezwungen?

Diese methodische Herangehensweise entsprach sehr unseren Jugendlichen. Sie stellten viele Fragen, es entstanden intensive Diskussionen in der Gruppe und der Einblick in die damalige Realität machte den Bezug zur aktuellen Lebenswelt möglich.

Schon nachdenklicher gingen wir weiter zum Denkmalpark und näherten uns dem Inneren des KZ. Vom Jüdischen Denkmal aus hatten wir eine gute Sicht auf den Steinbruch mit der „Todesstiege“. Makaberer Weise kann die „Todesstiege“ zurzeit wegen Sicherheitsmängel nicht besichtigt werden.1 Es ist uns auch mit gutem Schuhwerk, satt und bei guter Kondition verboten, die Steinbruchstiege zu betreten, es wäre zu gefährlich! „Unvorstellbar wie unglaublich harte Arbeit die Gefangenen, unter diesen schlimmen Bedingungen, leisten mussten“ so eine Jugendliche. Eine andere Frage war: „Da führt doch eine Straße hin, warum mussten sie die Steine raufschleppen?“

Der Denkmalpark steht am Platz der abgerissenen SS-Baracken. Dort machten wir kurz Pause und erfuhren viel über die Organisation und Verwaltung des Lagers. Und vor allem über die „Arbeitsweise“ (Folter, Demütigung, Entmenschlichung, Vernichtung, medizinische Experimente) der Wachmannschaft. „Warum hat sich da niemand gewehrt?“

„Gibt´s das heute auch noch irgendwo?“ „Wie kann man so grausam und unmenschlich sein?“

Die nächste Station war dann schon mitten im Lager. In der mittäglichen Hitze gingen wir durch das Lagertor über den Appellplatz zum Block der Häftlingsbaracken. Jede Baracke war für 300 Häftlinge gedacht, aber bis zu 2000 Menschen wurden dort untergebracht. Wir waren nur eine kleine Gruppe, aber innerhalb von 10 Minuten wurde es heiß und stickig. Die Jugendlichen spürten sehr schnell am eigenen Körper wie unerträglich diese Räume sein mussten, wenn statt 40 Personen 400 und mehr hineingepfercht waren. Anhand der Fotos dort versuchten ein paar Burschen sich auszurechnen, ob sich überhaupt so viele Stockbetten in dem Raum ausgehen. „Das geht ja gar nicht, da müssen ja drei in einem Bett liegen“.

Die angrenzenden „Sanitärräume“ wurden von einigen Jugendlichen gar nicht erkannt. „Wo ist hier das Klo? Was? Einfach eine Rinne im Boden für alle? Da schaut mir ja jeder zu!“
Die erste Müdigkeit und gleichzeitig steigende Anspannung machte sich bemerkbar. Einige setzten sich draußen einfach auf den Boden und tranken etwas, andere versuchten sich mit Musik oder Bewegung abzulenken.

Nach kurzer Pause kamen wir zum schrecklichen Ende. Die Guides bereiteten die Jugendlichen sanft aber bestimmt auf den Bereich der Tötungsräume hin. Sie baten uns alle, in diesem Bereich still und respektvoll zu sein, alle Fragen und Kommentare danach zu stellen. Der Weg führte durch den „Raum der Namen“, durch die Hinrichtungsräume bis in die Gaskammer und zu den Krematoriumsöfen. Der „Raum der Namen“ besteht aus einem riesigen, schwarzen Steinblock, in den die bisher erforschten Namen und Daten von mehr als 80.000 ermordeten und umgekommenen Gefangenen eingraviert sind. Dieser Eindruck war für alle überwältigend.

„Die sind alle tot?“ Ein paar Teilnehmer_innen unserer Gruppe blätterten in den aufliegenden Büchern und entdeckten bekannte Namen. Eine Frage musste noch gestellt werden. „Waren hier auch Kinder?“

Zum Abschluss gingen wir vorbei an den Gedenktafeln der Gruppen und Nationen zurück zum Besucher_innenzentrum und verabschiedeten uns von den Guides.
Die Pause vor der Abfahrt nutzten wir alle unterschiedlich. Kaffee und Eis im Bistro, Insta, Austausch mit Teilnehmer_innen der anderen Gruppe, rauchen oder allein auf der Wiese sitzen. „Mir ist das jetzt zu viel, ich brauch Ruhe.“

Kaum fuhr der Bus wieder zurück nach Wien, schlief schon mehr als die Hälfte der Teilnehmer_innen. Die emotionale Anstrengung war deutlich zu spüren. Alles in allem ein eindrucksvoller und informationsreicher Tag.

„Es ist so schrecklich was passiert ist. Wir können jetzt nur noch dafür kämpfen, dass sowas nie wieder passieren wird.“

1 Aufgrund einer Sicherheitsüberprüfung bleibt die Steinbruchstiege („Todesstiege“) bis auf weiteres nicht begehbar. Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen prüft derzeit intensiv sämtliche Optionen, um den Besucherinnen und Besuchern in Zukunft wieder den Zugang zur Steinbruchstiege („Todesstiege“) zu ermöglichen.

Susi Schrott & Pia Amann vom J.at

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