Jugendliche entwickeln sich über ihre tätige Auseinandersetzung mit ihren sozialräumlichen Umwelten. Im jugendtypischen Prozess der Aneignung bilden sie nicht nur Fähigkeiten und Kompetenzen aus, sondern eignen sich auch gesellschaftliche Botschaften an, die in den Räumen eingelagert sind und damit auch vermittelt werden. Gleichzeitig ist zu erkennen, dass die Aneignungsprozesse Jugendlicher gerade im urbanen öffentlichen oder halböffentlichen Raum sehr oft als bedrohlich vermittelt oder erlebt werden. Die Skandalisierung mitunter Kriminalisierung von Jugendlichen und ihrem Verhalten im öffentlichen Raum stellt gegenwärtig eine bedeutsame gesellschaftspolitische und jugendpolitische Entwicklung im urbanen Raum dar. Ausgehend von einem meist medial erzeugten Bild „umkämpfter öffentlicher Räume“, so Reutlinger und Kemper (2015), werden Jugendliche in ihrem jugendkulturellen Aneignungsverhalten und ihrer jugendkulturellen Vergesellschaftungsformen mitunter als die Auffälligen und Verursacher_innen von Konflikten wahrgenommen, was mitunter zu einer „verschärften Skandalisierung Jugendlicher in öffentlichen Räumen“ (Reutlinger/Kemper) führt. Die Verdrängung Jugendlicher, wie auch anderer marginalisierten Gruppen, aus dem öffentlichen Raum kann auch als Aspekt einer „ordnungspolitische Durchdringung des öffentlichen Raumes“ (Kemper/Reutlinger), einhergehend mit ordnungspolitischen Ausgrenzungsmechanismen interpretiert werden. Festzustellen ist generell die zunehmende Kommerzialisierung von Räumen, einhergehend mit Sicherheitsdiskursen, die mitunter zur Problematisierung jugendlichen Verhaltens im medial oder öffentlich geführten Diskurs führen.
Ausgrenzung entgegenwirken
Dies wird von Jugendlichen und Jugendarbeiter_innen als durchaus problematisch und als Form der Ausgrenzung und Zurückweisung wahrgenommen und prägt die lebensweltliche und sozialräumliche Situation von Jugendlichen im urbanen Raum. Dieser Tendenz können wir in der Offenen und Mobilen Jugendarbeit durch die Schaffung von „Öffentlichkeiten für Jugendliche“ entgegnen. Öffentlichkeiten, in denen sie, unterstützt durch die Jugendarbeiter_innen, ihre Interessen, Bedarfe und Blickwinkel ausdrücken können.
Die Perspektive einer sozialräumlichen Jugendarbeit weist der Jugendarbeit hier ein jugendpolitisches Mandat zu. In der „Spannung zwischen jugendkultureller Konfliktorientierung und ordnungspolitischen Befriedungszumutungen“ (Böhnisch/Krisch 2013) nimmt sie ihr jugendpolitisches Mandat „in Form eines anwaltschaftlichen politischen Handelns der Fachkräfte der Jugendarbeit“ (Sturzenhecker 2015) wahr. Gemeinsam mit Kooperationspartner_innen aus Politik, Bildung, Jugendarbeit etc. arbeiten die Jugendzentren daran, „Jugendöffentlichkeiten“ zu schaffen und ein geändertes Bewusstsein über die Mitgestaltungsmöglichkeiten Jugendlicher im öffentlichen Raum voranzutreiben.
Öffentlichkeit für Anliegen von Jugendlichen schaffen
Die Förderung von sozialräumlicher Mitgestaltung und Teilhabe Jugendlicher am öffentlichen und damit gesellschaftlichen Raum, lässt sich anhand einiger Beispiele veranschaulichen: Sozialräumliche Beteiligungsprojekte der Offenen Jugendarbeit, wie beispielsweise Word Up-Jugendparlamente, die sozialräumliche Beteiligungsformen Jugendlicher im öffentlichen Raum auch strukturell, in konkreten räumlichen Umgestaltungen fördern. Die Durchführung sozialräumlicher Beteiligungsmethoden mit Jugendlichen im Rahmen von Sozialraumerkundungen der Jugendarbeit „ermöglichen es Kindern und Jugendlichen, ihre Sicht- und Handlungsweisen zum Raum zu erkennen, im Sozialraum zu präsentieren und öffentliche Räume aktiv mitzugestalten.“ (Sturzenhecker 2015) Mädchenpicknicks im öffentlichen Raum, Streetworkouts in Parks, Parkgestaltungsprojekte mit einem ernst gemeinten, hohen Beteiligung- und Mitgestaltungsgrad Jugendlicher eröffnen jungen Menschen die Erfahrung von Beteiligung und das Gelingen von „Öffentlichkeit“ für ihr Tun. CU television, die monatliche Fernsehsendung der Wiener Jugendzentren auf Okto, ermöglicht Jugendlichen, ihre Themen ins Fernsehen zu bringen, Selbstwirksamkeit und Feedback zu erfahren.
Literatur:
Böhnisch, L./Krisch, R. (2013): Politische Bildung in sozialräumlicher Perspektive. Rehburg-Loccum. https://www.sozialraum.de/politische-bildung-in-sozialraeumlicher-perspektive.php
Kemper, R./Reutlinger, C. (Hrsg.) (2015): Umkämpfter öffentlicher Raum. Herausforderungen für Planung und Jugendarbeit. Wiesbaden
Sturzenhecker, B. (2015): Sich einmischen in Raumkonflikte mit Kindern und Jugendlichen – Konzepte und Praxis Offener Kinder- und Jugendarbeit. In: Kemper, R./Reutlinger, C.(Hrsg.): Umkämpfter öffentlicher Raum. Herausforderungen für Planung und Jugendarbeit. Wiesbaden
Richard Krisch, Wissenschaftlicher Referent