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24. Oktober 2024

Digitale Jugend trifft digitale Werkzeuge

 Kind mit blauer Jacke und blauer Hose neben Model auf dem Laufsteg mit gelber Hose, weißen Schuhen, rotem Gürtel, schwarzem Top und seidigen, weißen Ärmeln

Neue Werkzeuge und Blickwinkel in der digitalen Welt, die zu neuem Er- und Begreifen der Welt führen können. Erfahrungen aus dem Jugendzentrum JUST Wienerberg.

In der heutigen Zeit scheint es für immer mehr Menschen herausfordernd zu sein, sich Momenten der Langeweile zu stellen, in denen Gedanken und Ideen sickern und Raum finden können. Schon im jungen Alter sind Kinder von verschiedensten digitalen Medien umgeben. Diese nehmen den jungen Menschen nicht selten die Möglichkeit, ihre Umwelt be-greifen-d wahrzunehmen. Situationen in der Öffentlichkeit, in denen Eltern ihre Kleinkinder im Kinderwagen mit Tablets stummschalten, kennen die meisten. Man könnte behaupten, dass obwohl Menschen bewiesenermaßen bereits im Kindesalter einen Schaffensdrang besitzen, sie oft unbewusst in eine Art „Konsumhypnose“ über Displays bewegt werden. Langeweile aushalten heißt auch, etwas Unangenehmes zu durchleben. Wenn nun jungen Menschen gelernt bzw. vorgelebt wird, dass diese Momente recht einfach mit einer Starre, gerichtet auf ein Handy oder Tablet, zu narkotisieren sind, kann sich dieses Mindset tief in ihrem Sein einbetten.

KI-Apps als Lern-Motivation

Wie kann man in der heutigen diesen bereits fahrenden Zug erweitern, vielleicht sogar umbauen? Künstliche Intelligenz (KI) ist einer der wichtigsten Trends in der Digitalisierung und hält in immer mehr Lebensbereichen Einzug. Kinder und Jugendliche erzählen uns im JUST Wienerberg von unterschiedlichsten Erfahrungen mit KI-Programmen in ihrem Alltag. Privat scheinen sie Apps wie ChatGPT kaum zu nutzen, in Schulen gliedern offenbar die wenigsten Lehrkräfte solche Programme in den Unterricht ein – es wird sogar von Verboten berichtet.

Zeichnung einer Frau mit gelber Hose, orangem Gürtel, schwarzem Top und weißen, seidigen Ärmeln

 

Vereinzelt hören wir, dass sie zwar KI-Apps am Handy installiert haben, diese aber nicht verwenden. Wenn wir sie darauf aufmerksam machen, dass beispielsweise schulische Aufgaben damit einfacher zu verstehen und zu lösen sind, die Sprachassistenz ohne großen Aufwand deutsche Wörter und Sätze zum Beispiel ins Arabische übersetzt, oder Tiere und Pflanzen per Abfotografieren erkennt, sind die meisten sehr überrascht. Anschließend aber auch motiviert zu lernen, wie der Einsatz von KI-Apps wie ChatGPT genau funktioniert, um es später am privaten Handy selbst umzusetzen.

 

Digitale Transformation für Kids in Fashion

Mit unserer Zielgruppe haben wir den Einsatz von KI gemeinsam ausprobiert, nämlich beim Projekt Kids In Fashion, einem Modedesign-Wettbewerb des Verein Wiener Jugendzentren. Wir haben ChatGPT aktiv in den kreativen Prozess der Kinder und Jugendlichen miteingebunden, was eine früchtetragende Rolle hatte. Sie zeichneten Kleidungsstücke auf die vorgegebenen Vorlagen und verwendeten Bio-Kunststoffbeutel, um weitere spannende Effekte zu erzielen. Die Ergebnisse wurden mit ChatGPT abfotografiert und mit einem Befehl in realistische Fotos umgewandelt. Die Kids waren fasziniert! Es gab ihnen wahrscheinlich das Gefühl, dass ihre Werke zum Leben erweckt wurden. Dies führte dazu, dass sie sich in einer Art Flow-Zustand befanden und gleich mehrere Entwürfe anfertigten, um daraufhin das Ergebnis der KI-App zu bestaunen. Die Transformation ging allerdings noch weiter. Der Entwurf einer Jugendlichen wurde von der Kids in Fashion-Jury ausgewählt und für die große Show dann tatsächlich detailgetreu nachgeschneidert!

KI-Generiertes Bild einer Frau mit gelber Hose, schwarzem und orangem Top und weißen, seidigen Ärmeln

Chatten mit Napoleon?

KI-Programme wie ChatGPT können auch Lösungsvorschläge für persönliche Probleme, über die junge Menschen möglicherweise nicht sprechen möchten oder können, gesucht werden. Um solche Belastungen zu anonymisieren könnten diese auf eine fiktive Person oder Geschichte übertragen werden. Ahmet hat beispielsweise Liebeskummer und tippt ein: Lukas hat Liebeskummer, was könnte er tun? Im JUST erzählte ein Jugendlicher auch von character.ai, eine App, die es ermöglicht Charaktere mit individuellen Eigenschaften zu erstellen und mit ihnen Gespräche per Text zu führen. Ähnlich wie in der Serie „Black Mirror“ können so auch verstorbene Menschen wieder „zum Leben erweckt“ werden. Man könnte beispielsweise mit Napoleon darüber schreiben, was er in seinem Leben anders gemacht hätte, wenn er könnte. Dabei gilt es auch jungen Menschen zu erklären, dass diese Vorgänge – im Unterschied zu Suchmaschinen wie Google - wie Chats ablaufen. Das bedeutet, dass auf Antworten reagiert werden kann und die App den Faden der Konversation nicht verliert, daher Verknüpfungen im Dialog erstellt.

Kritisches Denken fördern

Da es immer mehr Informationen gibt und sich der Informationsfluss beschleunigt, bevorzugen Kinder und Jugendliche, aber auch immer mehr Erwachsene, Informationen am liebsten in Kurzfassung bzw. in Kurzvideos. Die Würze liegt in der Kürze, komplexe Themen auf ein paar Minuten oder Sekunden herunterzubrechen, erschafft jedoch gewollt und ungewollt viele Informationslücken und führt nicht selten zu Halbwahrheiten bis Lügen. Kritisches Denken anzuregen ist aus diesen Gründen nicht nur in der analogen, sondern auch in der digitalen Welt essentiell. Wichtig ist auch, dass sich Erwachsene nicht nur untereinander Gedanken über den Einsatz dieser Apps machen, sondern auch offen für Input seitens der jungen Menschen und somit auch bereit für Überraschungen sind.

 

Es muss einleuchtend sein, dass sich diese neuen digitalen Werkzeuge kaum von der Essenz anderer Erfindungen unterscheiden. Sie können kontraproduktiv, aber auch sinnvoll genutzt werden, weshalb Erziehungsberechtigte und betroffene Institutionen eine entscheidende Rolle in der Vermittlung von digitalen Kompetenzen spielen. Im Sinne der jungen Menschen müssen wir ihnen zeigen, was noch alles am Handy, Tablet oder Computer möglich ist, außer mit dem Freundeskreis zu chatten oder sich stundenlang von Kurzvideos in Endlosschleife berieseln zu lassen.

Ersin, JUST Wienerberg

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