suchen

Wähle deinen Bezirk aus

4. März 2020

Warum gibt’s Events nur für Mädchen*?

Am 8. März ist Weltfrauentag. Die Jugendzentren rücken an diesem Tag die Rechte von Mädchen* und Frauen* in den Mittelpunkt, stellen in der Kampagne 8 x 3 beeindruckende Frauen vor und machen den Frauentag zum Thema in den Jugendzentren. Geschlechtssensible Arbeit hat in den Wiener Jugendzentren traditionellerweise einen großen Stellenwert. Seit vielen Jahren gibt es im Verein einen Arbeitskreis queer-feministischer Mädchen*arbeit. Die Leitung des Arbeitskreises (AK) hat Joe Weinschenk seit März 2019 über, sie geht nun in Karenz. Susanna Sulig übernimmt die Leitung des Arbeitskreises. Wir haben die beiden Jugendarbeiterinnen* zum Interview gebeten. Lest hier, welche Bilanz sie nach vielen Jahren AK Mädchen*arbeit ziehen, welche Meilensteine sie in den letzten Jahren erreicht haben und welche Visionen sie haben.

Warum gibt es bei den Jugendzentren einen Arbeitskreis queer-feministische Mädchen*arbeit? Was heißt Mädchen*arbeit überhaupt?
Joe Weinschenk: Arbeitskreise sind eine gute Möglichkeit um Up-to-date zu bleiben. Den Arbeitskreis zur Mädchen*arbeit gibt es schon sehr lange, das ist natürlich auch theoretischen und politischen Entwicklungen unterworfen, was sich dann auch im Namen niederschlägt. So nennt sich der Arbeitskreis mittlerweile queer-feministischer Mädchen*arbeitskreis und lädt Trans*personen ebenso ein wie Cis-Kolleginnen, um den Austausch über die geschlechterbinären Grenzen hinaus voranzutreiben. Das heißt auch, dass nicht die weiblichen Jugendzentren-Mitarbeiter_innen allein Mädchen*arbeit denken und umsetzen. ALLE sind aufgefordert über Privilegien und Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft und des Jugendzentrums, des Parks nachzudenken und einen (neuen) Umgang damit zu entwickeln. Jammern und Opfer sein ist nicht sexy. Trotzdem gibt es immer noch reale Benachteiligungen und es ist nicht die Aufgabe von nur 50 % der Menschen in einer Gemeinschaft das zu verändern. Die große Aufgabe ist meiner Meinung nach, an einer positiven, stärken-orientierten Burschen*arbeit weiter zu basteln.

Content Bild

Was passiert bei einem Arbeitskreis-Termin? Wie kann man sich das vorstellen?
Susanna Sulig: Grundsätzlich kann man sich einen Arbeitskreis-Termin als Austauschtreffen vorstellen. Die Mitarbeiter_innen haben die Möglichkeit sich auszutauschen, Wissen und Erfahrungen von Kolleg_innen einzuholen, über Themen zu diskutieren. Zu den Themen kommen wir via Sammlung und Abstimmung im Plenum. Was beschäftigt die Mitarbeiter_innen gerade im Hinblick auf queer-feministische Mädchen*arbeit, wo möchten wir uns weiterbilden, wo können wir unsere Kompetenzen erweitern und vertiefen? Die gewählten Themen werden von Kolleg_innen die sich in dem Bereich gut auskennen oder aber von mir aufbereitet. Manchmal kommen Expert_innen zu einem Termin oder aber wir besuchen Einrichtungen, die Relevanz für unsere Arbeit haben. Im besten Fall wissen wir nach jedem Arbeitskreis-Termin ein bisschen mehr!


Was hat sich bei den Jugendzentren geändert, seit du den Arbeitskreis geleitet hast und seitdem du im Verein arbeitest?
Joe: Den Arbeitskreis habe ich ja erst vor einem Jahr von einer Kollegin* übernommen, das ist nicht sehr lang. Ich hab‘ aber, seit ich im Verein arbeite, gern am AK teilgenommen und mich ausgetauscht. Ich bin Fan von gemeinsamer Arbeit! Es sitzen x Expert*innen im Arbeitskreis, die in verschiedensten Bereichen viel mehr Erfahrung als ich mitbringen. Drei Kolleginnen* haben sich z.B. letzten Herbst die Arbeit gemacht, uns Gaming praktisch und theoretisch näher zu bringen. Das war viel Arbeit und wir anderen haben davon profitiert! Dann gibt es Kolleginnen*, die spannende Weiterbildungen machen oder selbst nebenbei einen Verein betreiben – das birgt unendliche Möglichkeiten. Und bringt auch Bewegung rein, wenn ich im Arbeitskreis mehr mache als nur zu konsumieren.

Content Bild

Was waren die Meilensteine der letzten Jahre?
Joe: Bestimmt die gemeinsame Erarbeitung der Genderleitlinien und Verankerung auf allen Ebenen der Organisation. Das hat viel Anlass gegeben, um über dieses ominöse „Gender“ zu diskutieren und neue Blicke darauf zu bekommen. Ich denke, da gibt es immer noch sehr emotionale Aufladungen, viel mehr als bei anderen Arbeitskreisen. Die Genderleitlinien geben dem Thema das professionelle Gewicht, das es meiner Einschätzung nach im Arbeitskontext benötigt, um nicht als persönliches Interesse abgetan zu werden. Ein Meilenstein war auch die Öffnung des Mädchen*tanzfestes für Trans*personen vor zwei Jahren. Ich denke wir müssen diese Räume austesten, wir müssen in Bewegung bleiben.

Content Bild


Warum veranstalten die Wiener Jugendzentren ein Mädchen*picknick? Ein Mädchen*tanzfest? Warum gibt es Events nur für Mädchen* und junge Frauen*?
Susanna: Auch 2020 sind spezielle Räume für Mädchen* und junge Frauen* noch relevant. In einer idealen Realität wären solche Räume natürlich nicht mehr notwendig, weil wir frei wären von gewissen Machtverhältnissen die Auswirkungen haben auf Ressourcenverteilung, Möglichkeiten, Sicherheit und Chancen die Mädchen* und Frauen* oder aber queere Personen haben. Bis es soweit ist, ist es wichtig, Räume zu eröffnen in denen Mädchen* und junge Frauen* frei von bestimmten Blicken, Erwartungen, Stereotypen und Druck sein können. In denen sie sich austoben können, laut, wütend, Platz einnehmend sein können. In denen sie einfach über Themen sprechen können, die in gemischten Settings schwerer zu thematisieren sind, weil sie gesellschaftlich tabuisiert oder immer noch mit Scham behaftet werden. In diesem Sinn sind Räume wie das Mädchen*picknick oder das Mädchen*tanzfest als Räume zu sehen, in denen Empowerment und Stärkung möglich werden und die unerlässlich dazu beitragen, dass wir in Zukunft irgendwann hoffentlich alle wirklich und wahrlich gleichberechtigt sind!

Was ist deine Vision für die nächsten Jahre?
Susanna: Das ist eine gute Frage! Und gleichzeitig eine schwierige! Vision klingt so groß und bedeutend, vielleicht ist es für mich passender von Zielen zu sprechen. Zum einen hoffe ich natürlich, Joe gut vertreten zu können. Und dann wünsche ich mir, dass der Arbeitskreis queer-feministische Mädchen*arbeit uns alle Schritt für Schritt weiterbringt. Uns sensibilisiert und stärkt zugleich für eine Jugendarbeit und Praxis die so differenziert und inklusiv wie möglich agiert. So können wir vielleicht winzige Beiträge leisten im alltäglichen Tun für eine zukünftige Welt, in der alle Menschen, egal welches Geschlecht, Gender, welche Identität, Religion oder Herkunft wir haben, Platz und die gleichen Chancen haben. Jetzt bin ich irgendwie doch bei Visionen angekommen glaub ich. Naja, ohne Wünsche vielleicht auch keine Ziele!  

Content Bild

Interview: Selina Englmayer

Weitere Beiträge

{Name}

{Content}